Der Gärtner

Ein Mann ging durch die Wüste und fand ein Samenkorn.
Es war ungewöhnlich geformt, neugierig geworden steckte er es sich in die Tasche. Der Weg durch die Wüste war heiß und anstrengend, er schwitzte und bekam Durst, den er Schluck für Schluck aus seiner Wasserflasche beruhigte. Die Sonne brannte von oben, die Wüste strahlte von unten, die Steine des Weges begannen zu tanzen und der Mann vergaß das Samenkorn.
War es drei Tage oder fünf Monate später, der Mann griff in seine Tasche nach Tabak und fühlte etwas kleines Hartes. Verwundert zog er die Hand heraus und erinnerte sich wieder an die Wüste. Er rollte das Samenkorn zwischen den Fingerspitzen, die Neugier war wieder da und ein Bild von einer schönen Pflanze mit kleinen Sonnen als Blüten, einem kräftigen Stängel, dunklen Blättern und einer tiefen Wurzel.
Er ging in seinen Garten und begann einen Ort zu suchen. Er wanderte lange hin und her, bückte sich, erhob sich wieder, schritt weiter, bückte sich erneut. Dann setzte er sich auf einen Stein und betrachtete das Samenkorn: „Was willst Du, wo willst Du hin?“
Der Samen antwortete nicht. Der Mann stand auf, spürte den Samen in seiner Hand und ließ sich von ihm führen. Er machte sich klein, klein wie ein Samenkorn und begann den Garten mit anderen Augen zu sehen, er spürte die Erde unter seinen Füßen und dann fand er einen Platz für sein Samenkorn. Er steckte es tief hinein in die Erde und ging zufrieden ins Haus.
Nun kam er jeden Morgen und sah nach dem Korn, doch es geschah nichts.
Er verließ sich nicht mehr auf die Natur, er begann zu gießen, grub vorsichtig die Erde um und riss die anderen Pflanzen aus, die er nicht für wert hielt. Er wartete auf seine Blume, doch es geschah nichts.
Da wurde er erst traurig, dann zornig. Das kümmerte die Erde allerdings wenig, sie ließ weiter die schönsten Kräuter wachsen.
Der Mann gab auf, er ließ die Stelle wie sie war und mit der Zeit vergaß er seinen Traum.
Waren es drei Tage oder fünf Monate später. Freunde waren zu Besuch, sie lachten und tanzten, es war ein schöner warmer Abend. Irgendjemand sagte dann: „Du hast aber eine schöne Blume.“ Seine Hand wies zu der Stelle, die der Mann schon lange vergessen hatte.

Dort stand eine Blume, groß und schön, mit leuchtenden Blüten, die wie kleine Sonnen aussahen, kräftigem Stängel und dunklen Blättern.
Und wohl auch einer tiefen Wurzel.

2008